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ART & CULTURE

HAJUSOM

Die Tatsache, dass man selbst von den Folgen des Kolonialismus betroffen ist, zum Beispiel von Rassismus, bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man über die Fakten Bescheid weiß. Deshalb war die Arbeit an AZIMUT für alle eine Reise in die Vergangenheit.“

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HAJUSOM

Besonders seid 2015 sind Geflüchtete wieder ein präsentes Thema in der deutschen und allgemein europäischen Gesellschaft. Die Auseinandersetzung damit wirft oft große Kontroversen auf, vielleicht auch, weil sich viele in Deutschland nicht gesehen und nicht verstanden fühlen. Vielleicht aber auch, weil wir in einem Land leben, in dem wir viele Privilegien genießen können ohne uns daran erinnern zu müssen woher diese und der daraus resultierende Wohlstand überhaupt kommen. Die thematische Bedeutung dessen steht außer Frage doch die wenigsten beschäftigen sich mit denen, die primär betroffen sind. Die, die ihr Land verlassen haben mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch wie findet die Auseinandersetzung mit Träumen, Hoffnungen und der Vergangenheit bei diesen Menschen statt? Ein inspirierendes Beispiel dafür, ist das Performance Ensemble Hajusom.

 

Die Gruppe gründete sich 1999 aus einem Performance- Workshop heraus, angeleitet durch die Hamburger Künstlerinnen Ella Huck und Dorothea Reinicke. Der damalige Workshop fand in einer Erstaufnahmeeinrichtung für geflüchtete Jugendliche statt bei dem auch die Teilnehmer HAtice, JUSef und OMid Teil nahmen, wodurch der spätere Name HAJUSOM entstand. Der Erfolg des Workshops motivierte die beiden Frauen dazu ein Ensemble zu gründen, welches heute seine Hauptprobenräume im Bunker auf St. Pauli hat. In den letzten 20 Jahren ist Hajusom jedoch nicht nur eine Performance Gruppe geblieben:

 

„Hajusom hat sich seit 2010 zu einem transnationalen Zentrum entwickelt, das neben dem Performance-Ensemble zwei weitere Bereiche umfasst, nämlich einmal LAB: die Nachwuchsgruppen, in denen Newcomer sich jede Woche zu Musik, Hiphop, Kochen, Performance versammeln.“ So heißt es von Hajusoms Seite aus.

 

„Außerdem gibt es ein Mentoring-Programm für die jugendlichen Refugees und ihre Familien. Der zweite Bereich ist TRANSFER: Über die Jahre hat sich bei Hajusom eine Menge Know-How sowohl auf dem künstlerischen als auch auf dem sozialen Sektor gesammelt. Diesen Spirit gibt die Gruppe in Workshops weiter an Institutionen, Refugee-Klassen an Schulen, in Uni-Seminaren und im Rahmen von Festivals.“

 

Ein Projekt auf die Bühne zu bringen, kann hierbei auch schon mal über ein Jahr dauern. An der Ausarbeitung nimmt das ganze Team teil. Ob Recherche oder Konzepterstellung, alle bringen ihre Ideen mit ein. Deshalb sind die Endprodukte von Hajusom auch so unglaublich divers und vor allem politisch.  Das Alter der Ensemble- Mitglieder hält sich zwischen 9 und 35 Jahren. Deshalb können wir uns vorstellen, dass durch den Altersunterschied Erfahrung aber auch Naivität eine große Rolle in der Entwicklungsphase eines neuen Projektes spielen. Die Künstler bringen all dies mit, ihre Erfahrung und Geschichte, was zwangsläufig dazu beiträgt, dass die Stücke politisch sind. Themen wie Klima oder Koloniale Erinnerung und der bestehende alltags Rassismus in Deutschland sind Themen mit denen sich das Ensamble in Stücken wie „Silmande“ oder „Azimut“ auseinandersetzt.

 

„Das Thema „koloniale Erinnerung“ betrifft im Ensemble jede*n. Fast alle stammen selbst aus (oder haben Vorfahren in) ehemals kolonisierten Ländern. Daher lag es nahe, sich mit konkreten Erzählungen aus dem Leben der Performer*innen zu beschäftigen, bzw. diese erst einmal auszugraben, um sie dann künstlerisch zu bearbeiten bzw. in die Performance einzubinden in Form von Bewegung oder Text. Die Tatsache, dass man selbst von den Folgen des Kolonialismus betroffen ist, zum Beispiel von Rassismus, bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass man über die Fakten Bescheid weiß. Deshalb war die Arbeit an AZIMUT für alle eine Reise in die Vergangenheit.“

 

Oft kommen dann noch internationale Einflüsse dazu bei Zusammenarbeiten „etwa mit Latai Taumoepeau, einer Performerin aus Tonga, dem Musiker Jimi Tenor/Finnland, oder auch mit dem Streichquartett „Ensemble Resonanz“ hier in Hamburg. Die Zusammenarbeit findet bei gemeinsamen Proben statt, aber auch schon bei der Stückentwicklung im Vorfeld.“

 

Hajusoms Stücke sind imposant, sozial kritisch und geben allen mitwirkenden Künstlern die Chance dies kreativ auszudrücken. Sie regen einen als Zuschauer dazu an, seine eigene Situation und vor allem die eigenen Privilegien zu hinterfragen.

 

Zurzeit beschäftig sich das Ensamble mit einem neuen Projekt. „Das Thema Kolonialismus wird Hajusom weiter beschäftigen, diesmal aber eher aus der Perspektive des Widerstands. Derzeit beginnen die Proben und das neue Stück wird Ende März 2021 auf die Bühne kommen, voraussichtlich auf Kampnagel, der internationalen Spielstätte in Hamburg, mit der uns eine lange Partnerschaft verbindet.“

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